187x Hilfe bei Digitaler Gewalt:
Erfolgreichstes #NetzAmbulanz-Jahr überhauptDie #NetzAmbulanz beendet das Projektjahr so erfolgreich und effizient wie noch nie: 187 Betroffene von Digitaler Gewalt suchten und erhielten beim Verein #NetzCourage in den letzten 12 Monaten Unterstützung. 21 Strafverfahren wurden eingeleitet. Erstmals gelang es, auch zwei notorische Cyberstalker aus der Anonymität heraus und vor Gericht zu bringen. Nach dem erfolgreichen Projektabschluss gehts in eine längere Sommerpause.
Digitale Gewalt ist leider ein Gleichstellungsthema geblieben, denn die grosse Mehrheit der Betroffenen, welche beim 3er-Team der #NetzAmbulanz Hilfe suchten, waren auch im letzten Projektjahr wieder Frauen oder Transpersonen. Ansonsten sind die Fälle relativ breit über verschiedene Berufs- und Altersgruppen verteilt, mit einer erhöhten Risikogruppe: Politiker:innen und Personen der Öffentlichkeit. In einer erschreckenden Regelmässigkeit hat #NetzCourage im Jahr 2022 Hilferufe von Frauen erreicht, die von Cyberstalking betroffen sind.
Cyberstalking als Themenfokus 2023
Einen durchschnittlichen Fall von Cyberstalking gibt es nicht, jeder wirkt sich anders auf die gestalkte Person aus. Was aber immer ähnlich ist: Es braucht unzählige Stunden für die psychosoziale Betreuung der Betroffenen und noch viel mehr Zeit für Recherche und die gerichtsverwertbare Dokumentation. In diesem Bereich konnte sich das #NetzCourage-Team eine einzigartige Kompetenz aneignen.
Die Behörden sind immer noch wenig sensibilisiert, was das Ausmass und die Auswirkungen von Cyberstalking betrifft. Das kann nicht sein, finden wir. Deshalb arbeiteten wir während den letzten 12 Projektmonaten intensiv am Thema und gingen gezielt gegen Cyberstalking vor, schafften Öffentlichkeit, um in diesem Bereich endlich etwas ins Rollen zu bringen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Erwirkung von Präzedenzurteilen in diesem Bereich ist von enormer Bedeutung. Mehrere solcher wegweisender Cyberstalking-Urteile erwarten wir im Lauf der nächsten Monate.
Mit der #NetzAmbulanz haben wir im vergangenen Projektjahr 187 Betroffene beraten und 21 Strafverfahren eingeleitet. So konnten wir z.B. die Verurteilung einer Person erwirken, die über ein soziales Netzwerk massive Drohungen und Beschimpfungen ausgesprochen hatte. Das Urteil belief sich auf knapp CHF 10‘000 Busse sowie einer bedingten Geldstrafe von fast CHF 40‘000.
In vergangenen Projektjahr waren die Mehrheit der strafrechtlich relevanten Fälle Ehrverletzungsdelikte, allen voran Beschimpfungen. Weiter haben wir Strafanträge wegen Drohung und Nötigung gestellt, sowie verschiedene Fälle betreffend Publikationen intimer Bilder aufgearbeitet. Andere Fälle betrafen weitere Ausprägungen Digitaler Gewalt, wie etwa Cybermobbing oder Doxing – also die unerlaubte Veröffentlichung sensibler Personendaten. Meist erfolgt die Aggression aufgrund politischer Ansichten, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Nationalität. In seltenen Fällen sind digitale Angriffe auf ein vorbestehendes Verhältnis – etwa eine Ex-Partnerschaft – zurückzuführen. Ein markanter Unterschied zu entsprechenden analogen Gewaltdelikten.
Verein – nach Angriff – auf Kurs
Bei erneut leicht gestiegenem Mitglieder-Bestand hat sich der Vorstand von #NetzCourage fast komplett erneuert. Durch verschiedene vom Gesamtvorstand und an der MV 2022 beschlossene Massnahmen konnte der Versuch einer Vereinsübernahme – welche bis heute durch Schmutzkampagnen auf Social Media und in einschlägigen Medien begleitet wird, unterbunden werden.
Im Zuge des orchestrierten Angriffs wurden Vorstands- und Geschäftsleitungsmitglieder angeschwärzt und verschiedene Vorwürfe erhoben. Alle Vorwürfe wurden eingehend geprüft und bewusst mit der Revisionsstelle untersucht. Keine Unstimmigkeit wurde festgemacht. Die inzwischen durchgeführte Mitgliederversammlung 2023 verlief in deutlich ruhigeren Bahnen. Alle Vorstandsmitglieder wurden einstimmig wiedergewählt.
Dies alles zeigt vor allem eines: Wer sich gegen Hass im Netz einsetzt, macht sich nicht nur Freunde. Aber Hass hat inzwischen eine regelrechte Lobby. Wer wagt, sich dagegen zu wehren, soll eingeschüchtert und bekämpft werden. #NetzCourage ist hier kein Einzelfall. Auch andere Vereine, die sich gegen Diskriminierung und für demokratische Rechte einsetzen, werden aktiv, meist anonym und zum Teil über die entsprechenden medialen Sprachrohre, bekämpft.
Es sind dringend wirksame öffentliche Initiativen gefragt, die mit behördlicher Kompetenz durchgesetzt werden. #NetzCourage prüft laufend, ob eine verbesserte Einbindung in andere Organisationen oder etwa in eine Stiftung eine zielführende Variante wäre.
Nach Abschluss des Projektjahres der #NetzAmbulanz legen wir eine Sommerpause ein. Die Pause nutzen wir, um zu evaluieren, ob sich ein weiteres Projektjahr realisieren und finanzieren lässt. Ausserdem braucht das operative #NetzCourage-Team Schutzmechanismen. Wenn wir hier eine Lösung gefunden haben, gehts mit der #NetzAmbulanz, der einzigen Beratungsstelle für Betroffene von Digitaler Gewalt in der Schweiz, weiter. Bis dahin steht die #NetzAmbulanz nur in akuten Notfällen und Organisationen, denen wir unsere Unterstützung zugesagt haben, zur Verfügung. Betroffenen raten wir, mit der Polizei oder der kantonalen Opferhilfe Kontakt aufzunehmen.